Die Feste Boyen - vor den Toren der Stadt

Gundriss_Boyen

Boyen_breit

ehem. Haupteinfahrt von Südwesten (heute nicht mehr für Touristen vorgesehen)

(sternförmiger Grundriss)

Zu den heute wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Lötzen gehört die Festung Boyen, die zwischen 1842 und 1875 auf
einer Landenge zwischen dem Niegocin-See, dem Sumpfland und dem Mamry-See errichtet wurde.
Ihren Namen erhielt die Festung nach dem preußischen Kriegsminister General Hermann von Boyen (1771 - 1848).
Die ersten Vorschläge für eine „Befestigung des Seenpasses von Lötzen“ kamen 1816 von Karl von General von
Grolman (1777 bis 1848), die er in einer Denkschrift dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. unterbreitete.
Der damalige Kriegsminister Boyen griff diese Anregung auf, doch dauerte es bis 1844, bis er in Lötzen den Grundstein
zu der später nach ihm benannt Festung legen konnte. Finanzknappheit zwang zu langsamen Bauen, so dass die Festung erst 1875 vollständig fertig gestellt wurde.
Heute ist die Festung eine der am besten erhaltenen Verteidigungsanlagen aus dem 19. Jahrhundert in Polen. Die sternförmige Festung ist umgeben von Schutzwällen und Gräben und war Teil des ostpreußischen Verteidigungssystems.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges spielte das Fort bei Giżycko ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Mobilmachung
der Streitkräfte in Masuren. Nachdem die meisten deutschen Streitkräfte in dieser Region mobilisiert und dann von
Giżycko verlagert wurden, waren in der Stadt noch ca. 4000 Soldaten unter dem Kommando des Obersten Busse
stationiert. Diese führten zahlreiche Ausfälle auf die anrückenden russischen Truppen durch.
Im August 1914 – zu Beginn des ersten Weltkrieges - spielte die Festung eine strategische Schlüsselrolle.
Damals rückten zwei russische Armeen aus russisch Polen und russisch Litauen gegen eine unterlegene deutsche
Armee in Ostpreußen vor. Diesen Armeen stellte sich die masurische Seenplatte als Hindernis in den Weg.
Der Seenpass von Lötzen hätte eine Gelegenheit zum Passieren dieses Hindernisses geboten, war jedoch durch die
Festungen Boyen versperrt. Die russischen Angriffsarmeen teilten sich daher, um im Norden und im Westen an den
Seen vorbei nach Ostpreußen hinein vorzurücken. Damit boten sie der unterlegenen deutschen Armee die Gelegenheit,
sie einzeln zu schlagen. In dieser Zeit belagerten russische Truppen unter General Kondratiev die Festung.
Der Befehlshaber der Festung, Oberst Busse, wies jedoch die Forderung nach Kapitulation und Übergabe als
„für mich und meine tapfere Besatzung (…) im höchsten Maße beleidigend zurück. Die Feste Boyen wird nur als
Trümmerhaufen übergeben.“ Nach der Schlacht von Tannenberg (17. August bis 2. September 1914), in der die
zaristischen Truppen eine Niederlage erlitten hatten, zog Kondratiev sich mit seinen Soldaten zurück.

Am Vortag des Zweiten Weltkrieges wurde die Festung Boyen zu einem der Versammlungsorte der deutschen
Wehrmachtseinheiten, die von Ostpreußen nach Polen vorrücken sollten. Die Festungsbrigade „Lötzen“ gehörte
zur Armee „Nord“, die in strategischer Richtung Mława und Modlin angriff und unter anderem an Kämpfen an der
 polnischen Ortschaft Wizna teilnahm.

Zwischen 1941 und 1944 richtete die Wehrmacht in der Festung ein Lazarett ein. Gleichzeitig war sie Stützpunkt einer
Division des militärischen Nachrichtendienstes. In der Festung waren Divisionstruppen der „Abteilung Fremde Heere
Ost“ stationiert, deren Chef Reinhard Gehlen war, der später der erste Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND)
werden sollte. Anfang 1945 schloss die 3. Weißrussische Armee die Festung Boyen ein und zwang die Soldaten der
4. Armee, die sie verteidigten, zur Kapitulation. Während des sowjetischen Angriffs auf die Stadt Giżycko im
Januar 1945 wurde die Festung Boyen kampflos von ihrer Mannschaft verlassen.

In den letzten Kriegsmonaten wurde Lötzen mehrmals bombardiert. Bereits der erste Luftangriff auf die Stadt am
16. Dezember 1944 richtete hohen Sachschaden an. Am Ende des Krieges war die Stadt fast völlig zerstört.


Die Festung ist heute für Besucher geöffnet. In einer ehemaligen Kaserne gleich links hinter der Zufahrt lädt ein
kleines Museum zum Besuch ein. Wer Zeit und Lust hat, kann anschließend noch einen Spaziergang auf den
Wehranlagen unternehmen. Auch einige der inzwischen sehr verfallenen Gebäude können besichtigt werden.
Dazu gehören zum Beispiel eine Waffenmeisterwerkstelle und die frühere Bäckerei der Festung, in der noch immer
die Backöfen stehen. Gefliest ist die Bäckerei (natürlich) mit Kacheln von „Villeroy und Boch“.

Seit 1945 war die Festung Boyen Eigentum der polnischen Streitkräfte, die sie nur eingeschränkt in Anspruch nahmen.
In den 1950er Jahren wurde beschlossen, hier einige Lebensmittelunternehmen unterzubringen. In der Folge kam es
zu einer Umgestaltung der Anlage, großen Zerstörungen und vor allem zur Errichtung neuer, nicht zum Charakter der
Festung passender Gebäude. Dazu zählt eine Freilichtbühne, eine Discothek und weitere von Vereinen genutzte
Schutzräume.
 
Diese Situation bestand bis zum Anfang der 1990er Jahre, als die meisten der untergebrachten Unternehmen
aufgelöst wurden. Seitdem wurde die Festung zu einem von Touristen gern besuchten Ort.

Feste Boyen
ul. Turystyczna 1
11 - 500  Giżycko (Lötzen)
Tel.: +48 (0) 87 4282959
Internet: www.republika.pl/tmtb/