Die Geschichte und Entwicklung des Landkreises Lötzen - Daten und Fakten

Das Landschaftsbild Masurens mit seinen Endmoränenzügen, Grundmoränen,
Seenketten, Senken und Niederungen ist durch die letzte Eiszeit geprägt worden,
die vor etwa 13.000 Jahren zu Ende ging.
Als größte der zahlreichen Gewässer in der Region Lötzen–Rhein seien hier nur
der Löwentinsee, Kissainsee, Rheinsche See, Deyguhner See, die Talter Seenkette
und der Widminner See genannt. Bedeutendere Flussläufe fehlen. Kleinere Flüsse
sind der Gablick- und der Pammernfluss. Die wichtigsten Kanäle innerhalb der
Masurischen Wasserstraße sind auf Lötzener Gebiet der Talter Kanal, der Grün-
walder Kanal und der Schmidtsdorfer Kanal.
Die höchste Erhebung im Kreisgebiet ist mit 213 m die Königshöhe. Vorherrschend
sind lehmig-sandige Böden, Sandböden und Humusböden (Torf, Moormergel) mit
unterschiedlichen landwirtschaftlichen Ertragswerten. Wertvollere Ton- und
Lehmböden sind selten und nur in kleineren Inseln über das gesamte Kreisgebiet
verteilt. Stein-, Kies- und Tonlager haben das bodenständige Baustoffgewerbe
(Ziegeleien, Zementfabriken) entstehen lassen. Raseneisenstein-Vorkommen bei
Rhein und Ruhden hatten etwa seit dem 15. Jahrhundert kleinere Verarbeitungs-
betriebe aufkommen lassen, die Gebrauchsgegenstände vor allem für landwirt-
schaftliche Zwecke (z.B. Pflugscharen, Hufeisen, Eisenbeschläge) herstellten.
Diese wurden aber schon im 18. Jahrhundert wieder aufgegeben, weil die Eisen-
gewinnung mit zu hohen Kosten verbunden war. Gleiches galt auch für die in
früheren Jahrhunderten anzutreffende Nutzung kleinerer Kalkvorkommen.

Vor- und Frühgeschichte

Erste Spuren menschlicher Besiedlung reichen bis in die Mittlere Steinzeit
(ca. 10.000 - 4000 v.Chr.) zurück. Aus der Jüngeren Steinzeit (2000 - 1800 v.Chr.)
sind polierte Streitäxte an mehreren Orten gefunden worden, z.B. in Ogrodtken, Willkassen, Kraukeln und Milken.
Hügelgräber aus der Bronzezeit (1800 - 600 v.Chr.) sind u.a. bei Gr. Stürlack,
Strelzen und Willkassen entdeckt worden. Römische Münzfunde u.a. in Rhein,
Gr. Stürlack, Deyguhnen und bei Lötzen aus den ersten vier nachchristlichen
Jahrhunderten weisen auf Handelsbeziehungen mit den damaligen ostgoti-
schen Bewohnern Südrusslands hin. Urnengräber aus der Völkerwanderungszeit
sind bei Gutten und Kl. Skomatsko entdeckt worden.
Aus der Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen prussischer Stämme mit
ihnen benachbarten sowie mit dem Deutschen Ritterorden haben sich Burgwälle -
auch Schwedenschanzen oder Schlossberge genannt - u.a. bei Strelzen, Bogatzewen,
Orlowen, Rhein und Kosuchen nachweisen lassen. Sie sind meist auf
Hügeln oder sonstigen strategisch günstigen Geländestellen angelegt worden.
Die Gegend um Lötzen und Rhein zählte zum prussischen Gau Galinden, der im
Norden an die Gaue Pogesanien und Barten grenzte. Die Südgrenze, fester fixiert
erst im Friedensvertrag von Melnosee (1422), bestimmten wohl der Narew- und der
Lyckfluss. Im Osten grenzte Galinden an den Gau Sudauen, der sich bis an die
mittlere Memel und weit nach Litauen hinein erstreckte. Kleinere Teilgebiete im
Südosten des späteren Lötzener Kreises wurden auch zu Sudauen gerechnet.
Die Ortsbezeichnung „Skomatzken“ erinnert noch an den Sudauerfürsten Skomand.

Masurische Seen- u. Hügellandschaft

Steinkistengrab
mit Urne

Steinaxt

Urne

Die prussischen Gaue









(Die späteren Grenzen des
Landkreises Lötzen wurden
hier farbig markiert.)
 

Ordenszeit (1230 – 1525)

(Über die Besiedlungsgeschichte und die Entwicklung der Kirchenorganisation hier nur zusammenfassende
Bemerkungen. Ausführlichere Hinweise finden sie in der Rubrik Landkreis - Kirchengeschichte).

Das Siedlungswerk im Bereich der großen Wildnis, zu der die Region um Lötzen und Rhein damals noch zählten, konnte erst nach der Eroberung des Prussenlandes durch den Deutschen Orden, der 1230 ins Land gekommen war, und ihn militärisch unterstützende Kreuzfahrer erfolgen. Die Eroberung war 1283 abgeschlossen worden. Danach folgten noch beinahe über 100 Jahre hindurch kriegerische Auseinandersetzungen zwischen dem Ordensstaat und Litauen. Bei diesen sogen. „Litauerreisen,“ die auch durch das Lötzener Gebiet führten, handelte es sich um kriegerische Attacken von Ordensaufgeboten gegen die noch heidnischen Litauer. Unterstützt von ritterlichen Kreuzfahrern vorwiegend aus Deutschland und aus westeuropäischen Ländern, aber auch Böhmens und Polens und durch Rachefeldzüge der Litauer (Zerstörung von Grenzburgen des Ordens und ihres Umfeldes) beantwortet, endeten die Litauerfahrten erst nach dem Übertritt des Fürsten Jagiello zum Christentum und der Errichtung einer Personalunion zwischen dem Königreich Polen und dem Großfürstentum Litauen im Jahre 1386. Nach dem Ende dieser kriegerischen Auseinandersetzungen waren die Voraussetzungen für stärkere siedlerische Aktivitäten des Ordensstaates auch im Bereich der großen Wildnis gegeben. Diese war vorher nicht völlig menschenleer. Einzelne Siedlungs-inseln aus prussischer Zeit waren trotz der zahlreichen kämpferischen Wirren erhalten-geblieben. Ihre Bewohner waren deshalb in einzelnen Fällen auch am beginnenden Siedlungsausbau beteiligt (Prussische Siedlungsspuren sind z.B. auf dem Feld von Gr. und Kl. Stürlack, in Masehnen und in Weidicken nachweisbar.) Über die Herkunft der sonstigen Siedler gibt es nur wenige aussagekräftige Quellen, so dass die Mutmaßungen darüber meist auf vergleichender Namensforschung beruhen. Festzustehen scheint nur, dass an dem Siedlungswerk im späteren Kreis Lötzen drei ethnische Gruppen beteiligt waren: Deutsche, Polen und Prussen, in einzelnen Fällen auch Litauer und Russen – in zeitlich jeweils unterschiedlicher Stärke.

Besiedelungsgebiete nach
der Eroberung durch den
Deutschen Orden.







Lage des späteren Kreisgebietes von Lötzen innerhalb der Komtureien Balga und Brandenburg.



Nur die rosa markierten
Flächen sind vor dem
Beginn der Wildnis-
kolonisation schon
erschlossen und stärker
besiedelt gewesen.

Die Wildniskolonisation hatte im Prussengau Sassen (dem späteren Kreisgebiet von Osterode und Neidenburg)
begonnen und um 1360 die östliche Grenze des Pflegeramtes Ortelsburg erreicht. Sie wurde danach zunächst in
südöstlicher Richtung vorangetrieben. Bereits 1345 war eine Grenzburg in Johannisburg angelegt worden.
Um 1398 wird die Burg in Lyck erstmals erwähnt.

Ausgangspunkte der ordenszeitlichen Besiedlung im später zum Kreis Lötzen gehörenden Gebiet
waren die Burgen in Lötzen (errichtet 1335/40 in der Amtszeit des Hochmeisters Dietrich von
Altenburg) und in Rhein (errichtet 1377 in der Amtszeit des Hochmeisters Winrich von Kniprode).
Neben beiden Burgen existierten schon früh Ordensvorwerke zur Versorgung der Burgbesatzungen.
Hinzu kamen später marktähnliche Siedlungen, die sich zu Städten entwickelten.
(Lötzen erhielt das Stadtrecht 1612, Rhein erst 1726.)

Lötzen, der Komturei Brandenburg zugeordnet, war Sitz eines Pflegers. Rhein, der Komturei Balga zugeordnet, war ab
1393 Amtssitz eines Komturs, später der eines Pflegers. Innerhalb der Pflegerämter Lötzen und Rhein, dessen Grenzen
nur teilweise denen der späteren Hauptämter gleichen Namens entsprachen, gehörten zu den ältesten Verschreibungen
die in Gr. Stürlack und Weidicken. Der Komtur von Brandenburg verschrieb 1387 in Gr. Stürlack (Pflege Lötzen) ein
Dienstgut von 60 Hufen an seine Getreuen Stephan und Andreas und verpflichtete sie, ihm bei Kriegszügen 14 Dienste
mit „Hengst und Harnisch“ zu stellen. Der Hochmeister Michael Küchmeister stellte 1415 drei Handfesten über
Dienstgüter von je 10 Hufen zu Caytmedien (später Weidicken genannt und auf Rheiner Gebiet gelegen) an drei Freie
aus. Die Verschreibung erfolgte zu magdeburgischen Rechten. Neben je einem Dienst mit „Hengst und Harnisch“
waren von den Beliehenen jährlich je ein Scheffel Weizen und Roggen, ein Krampf und Wachs sowie ein Pfennig an
Zinsleistungen zu erbringen. In der Pflege Rhein wurden ab 1416 weitere Dienstgüter in Glombowen (1416),
Zandern (1427), Mnierczeiewen (1427), Mrowken (1431), Riebenzahl (1435), Jauer (1437), Orlen (1437), Salleschen
(1443) und Groß Notisten (1444, 1480) vergeben. Die erste Handfeste über ein Zinsdorf (Salza) im Rheinischen stammt
aus dem Jahre 1541.

  (Besiedelungsgebiete im späteren Kreisgebiet)

Für das Lötzener Gebiet sind zwischen 1387 und 1450 die
folgenden Verschreibungen vorgenommen worden:
1387: Groß Stürlack; um 1392: Mertenheim;
1407: Klein Stürlack; 1436: Steindamerau;
1440: Grzybowen; 1440: Kronau;
um 1450: Biestern; um 1450: Neuendorf.

Die vorherrschende Verschreibung von Dienstgütern im
behandelten Zeitraum, dessen Inhaber zu Kriegsdiensten
verpflichtet waren, ist darauf zurückzuführen, dass der
Ordensstaat nach der Niederlage bei Tannenberg (1410)
in besonderer Weise auf militärische Sicherung seines
Territoriums bedacht sein musste.

Bei der Gründung von Zinsdörfern bediente man sich meist eines Lokators. Dieser hatte für die Besetzung der
einzelnen Bauernstellen zu sorgen, und ihm wurden in der Regel das erbliche Schulzenamt sowie Anteile an der
Dorffläche übertragen. Zu seinen Aufgaben gehörten die Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit, polizeiliche
Tätigkeiten, die Eintreibung der Zinsen von den Dorfeinsassen sowie die Beaufsichtigung der Scharwerksdienste.
Der Schulze selbst war von Scharwerksdiensten befreit. In einzelnen Fällen konnte er aber zu militärischen Leistungen
herangezogen werden, wie z.B. aus dem Gründungsprivileg des Zinsdorfes Upalten von 1471 hervorgeht. In diesem
werden dem Getreuen Michel durch den Komtur Veit von Gich sechs zinsfreie Schulzenhufen mit der Verpflichtung
überlassen, die 54 weiteren Hufen der Gemarkung Upalten mit Bauern zu besetzen. Der Dorfschulze musste in
Kriegszeiten einen Dienst mit „Hengst und Harnisch“ stellen und je einen Scheffel Weizen und Korn am Martinstage
an das Amt abführen. Die angesiedelten Dorfbewohner sollten nach Ablauf von zehn Freijahren pro Hufe jährlich eine
halbe Mark und zwei Hühner an Zinsleistungen erbringen.
Hinsichtlich von Vorrechten und Freiheiten, der Verschreibungen zu kulmischem oder magdeburgischem Recht, der
Ausübung der Gerichtsbarkeit u.a. weisen die Güterverleihungen viele Varianten auf, abhängig wohl in erster Linie
von dem persönlichen Verhältnis zwischen Lehnsherrn und Beliehenem sowie dessen Beziehungsgeflecht. Bei den
Zinsdörfern sowie bei Verschreibungen von Mühlen- und Kruggrundstücken sind die Rechte und Pflichten, die in den
Handfesten aufgeführt werden, ebenfalls sehr unterschiedlich gestaltet. Wie die Entwicklung in der Folgezeit zeigt,
sind vielfach die in den Verschreibungen festgelegten Vorgaben, welche die bäuerlichen Schichten betreffen, zu deren
Ungunsten verschlechtert und durch Sondersteuern und zusätzliche Leistungsforderungen noch erweitert worden.
 
Während des Dreizehnjährigen Bürgerkrieges (1454 – 1466) zwischen dem Deutschen Orden und seinen mit Polen
verbündeten Ständen (Ritterschaft und Städte) kam die Siedlungsentwicklung auch in der Region Lötzen/Rhein zum
Erliegen und konnte erst seit den 70er Jahren wieder aufgenommen werden. Der Krieg hatte das Verwaltungsgefüge
des Ordensstaates aufs stärkste erschüttert. Sein Territorium wurde durch den 2. Thorner Frieden (1466) auf die
Gebiete östlich der Weichsel begrenzt. Das westliche Ordensgebiet sowie das Bistum Ermland mussten an Polen
abgetreten, der Hauptsitz des Ordens von Marienburg nach Königsberg verlegt werden.

   (fortschreitende Besiedelung im späteren Kreisgebiet)

In der späten Ordenszeit sind im Lötzener Amtsbereich die
folgenden Zinsdörfer und Güter gegründet worden:
1471: Upalten ; 1473: Czybulken ; 1474: Widminnen ;
1475: Groß Konopken ; 1475: Wissowatten ;
1475: Wensöwken-Junien ; 1475: Milken ;
1475: Stasswinnen ; 1476: Bilsken ; 1476:Schemionken ;
1478: Groß Wronnen; 1480: Spiergsten ; 1481: Biestern ;
1485: Radzien : 1487: Lippinsken; 1487: Wossau;
1491: Klein Konopken ; vor 1493: Willkassen (neue
Handfeste) ; 1495: Okrongeln ; 1495: Szepanken ;
um 1505: Faulhöden ; 1505: Pierkunowen;
vor 1506: Ruhden; 1506: Dannowen; vor 1506: Jedamken;
1506: Czyrpken; 1508: Kurzundtken (Mniechen);
um 1509: Gutten; um 1513: Neuhoff(Selken) und 1522: Bogatzewen.

Rhein wurde 1468 (wie auch schon 1399 und 1418) zum Sitz einer Komturei erhoben, um die Besiedlungstätigkeit
zu intensivieren. Diese zeigte in der benachbarten Region Johannisburg aber größere Erfolge als in Rhein. Hier kam
es nur zur Gründung folgender Dienstgüter und Zinsdörfer: 1478: Kl. Jauer ; 1484: Gneist ; 1485: „Bienendörflein“
bei Rhein (12 Beutner) ;1494: Skorupken ; und 1499: Lawken. Am Ende der Ordenszeit dürfte die Einwohnerzahl
der Region Lötzen/Rhein bei ca. 5000 gelegen haben.

Kirchliche Mittelpunkte waren in der Ordenszeit die Kapellen in den Burgen Lötzen und Rhein, in denen Priester-
brüder des Ordens ihren Dienst versahen. Solange in ihrem Einzugsbereich noch keine eigenen Kirchen existierten,
betreuten sie wohl auch die bekehrten Prussen und die Neusiedler. Schon in der Ordenszeit erbaute Kirchen sind in
Stürlack und Milken nachweisbar. Sie gehörten in katholischer Zeit zum Bistum Ermland, in evangelischer Zeit zum
Bistum Pomesanien. Ausführlichere Nachrichten über den Stand der Kirchenorganisation in dem Hauptämtern
Lötzen und Rhein liegen aus dem Jahre 1579 vor. Danach gab es im Hauptamt Lötzen zwei Kirchspiele: Lötzen und
Milken, in Rhein insgesamt acht (Rhein, Nikolaiken, Eichmedien, Schimonken, Eckersberg, Arys, Claussen, Selcken
=Neuhoff). Nur ein Teil der um diese Zeit im Rheinischen existierenden Kirchspiele wurde später zum Kreis Lötzen
geschlagen. (Weitere Entwicklung s. unter der Rubrik Kirchengeschichte).

Herzogszeit (1525 – 1618)

Im Jahre 1525 trat der Hochmeister des Deutschen Ordens, Markgraf Albrecht von
Brandenburg-Ansbach (1510 - 1568), zum evangelischen Glauben über und nahm den
Herzogstitel an. Der Ordensstaat gelangte damit in den erblichen Besitz Albrechts, und
dieser unterstellte sich der Lehnshoheit des katholischen Königs von Polen. Die Verwaltungs-
strukturen des neuen Herzogtums wurden nur unwesentlich verändert, und auch die Bischofs-
verfassung blieb zunächst unangetastet. Erst nach 1588 wurden einzelne bischöfliche Aufgaben
von nun eingerichteten Konsistorien mit Sitzen in Königsberg und Saalfeld übernommen.
Die ordenszeitlichen Komtureien, Pflegen und Vogteien wurden jetzt  Hauptämter genannt und
der Aufsicht von Amtshauptleuten unterstellt. Die Kammerämter als untere Behörden blieben
in ihrer Funktion erhalten und behielten auch ihre Namen. Ehemalige Ordensangehörige,
die keinen Widerspruch gegen den Glaubenswechsel eingelegt hatten, wurden für staatliche
Verwaltungsaufgaben des Herzogtums herangezogen. Dem in Preußen ansässigen Adel gelang
es sehr bald, seine Machtbefugnisse auszudehnen und alle höheren und mittleren Verwaltungs-
stellen mit seinen Angehörigen zu besetzen, so die Oberratsstube in Königsberg als Verwaltungs-
spitze sowie die Amtshauptmannschaften. Das Steuerbewilligungsrecht des Landtages, auf dem
Adel, Geistlichkeit und Städte vertreten waren, bildete auch im Herzogtum Preußen die Quelle
der ständischen Macht. Wie schon in der Spätzeit des Ordensstaates war das Land für Zwecke
der Steuereintreibung in drei Großkreise eingeteilt worden: den samländischen, den oberlän-
dischen und den natangischen. Die Hauptämter Lötzen und Rhein gehörten zum Kreis Natangen.

Albrecht von
Brandenburg-Ansbach

Als verwaltungsmäßige Veränderung in Masuren während der herzoglichen Zeit ist die Gründung eines neuen Haupt-
amtes in Stradaunen (erstmals 1528/29 genannt) zu erwähnen. Ihm wurden der gesamte spätere Kreis Oletzko, die
Kirchspiele Jucha, Kallinowen und Stradaunen im Norden des späteren Kreises Lyck sowie die im Ostteil des späteren
Kreises Lötzen gelegenen Kirchspiele Widminnen und Orlowen zugeordnet. (Das Hauptamt Stradaunen wurde später in
„Olecko“ umbenannt.)
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts begegnen wir einem Erbhauptamt Neuhoff, das sich im Besitz der Familie der
Freiherrn von Heydeck befand. Zu ihm gehörten folgende Güter und Dörfer: Neuhoff, Mallinken, Pammern, Ranten,
Rostken, Heybutten, Adlig Bialla, Adlig Wolla, Berghof und Werder.
Die Besiedlung von freien Wildnisflächen machte in der Regierungszeit von Herzog Albrecht große Fortschritte.

 (weitere Besiedelung im späteren Kreisgebiet)

Im Hauptamt Lötzen kam es zu folgenden Neugründungen: vor 1530: Willudken; vor 1534: Skomatzko;
1539: Ogrodtken; 1539: Strelzen; 1544: Schwiddern;
1545: Bogatzewen; 1548: Wierzeyken; 1549: Kosuchen;
1550: Kl. Jagodnen; 1553: Marczinawolla; 1553: Rydzewen
1554: Pietzunken; 1554: Kl. Wronnen; 1554: Koszinnen;
1555: Sullimm; 1555: Paprodtken; um 1555: Kleszewen;
1555: Schedlisken und 1559: Kallinowen.
Für das Hauptamt Rhein sind folgende Verschreibungen
vorgenommen worden: 1541: Salza; 1547: Krzysahnen;
1552: Jesziorken; 1553: Usranken; 1553: Skoppen;
1555: Klein Notisten; vor 1563: Trossen;
vor 1563: Slabowen und 1563: Scheuba.

Für das um 1528 neugeschaffene Hauptamt Stradaunen wurden die folgenden Handfesten ausgestellt:
vor 1534: Talken; 1542: Masuchowken; vor 1542: Junien; 1547: Groß Gablick; 1549: Klein Gablick;
1550: Sucholasken; um 1550: Orlowen; um 1550: Lipowen;1554: Sczyballen; 1554: Grondsken; 1560: Kowalewsken
und 1572: Czarnowken.

Beim Siedlungsausbau in der herzoglichen Zeit konnte in vielen Fällen bereits auf Siedler aus dem näheren Umfeld
(Binnensiedlung) zurückgegriffen werden. Zuwandererung aus entlegeneren Gebieten gehörte in dieser Zeit zu den
Ausnahmen.
Das Kolonisationswerk in dem nunmehrigen Hauptamt Lötzen kam nach dem Tode Herzog Albrechts (1568) fast
vollständig zum Erliegen. Die in anderen Hauptämtern Masurens zu beobachtende Gründung von Schatulldörfern
(Berahmungsdörfern), deren Zinseinnahmen direkt dem Landesherrn zuflossen und nicht dem von den Ständen
verwalteten Landkasten, hatte im Lötzener Gebiet keine übermäßige Bedeutung, weil hier entsprechende Wildnis-
flächen fehlten. Meist erst seit dem Ende des 17. Jahrhunderts wurden in den Hauptämtern Rhein und Stradaunen
noch einzelne Waldflächen und Ödland für Schatullsiedlungen herangezogen. Mit der Schatullsiedlung gelangten die
planmäßigen Siedlungsaktivitäten im Gebiet des späteren Kreises Lötzen im wesentlichen zum Abschluss. Auch in der
Folgezeit kam es natürlich zur Ausweitung der Kulturflächen, um die Erträge der Land- und Forstwirtschaft zu
steigern. Im 18. Jahrhundert stand aber die Wiederbesiedlung von Bauernland im Vordergrund, das durch Kriegsfolgen
und Seuchen wüst geworden war.
Die Herausbildung von neuen Adelsgütern auf schon vorher besiedelt gewesenen Flächen begann bereits gegen Ende
der Herzogszeit, wurde aber erst in der Folgezeit verstärkt. Neue Güterkomplexe mit gemischtem Rechtscharakter
entstanden jetzt z.B. neben den in früherer Zeit schon an Adlige oder Freie verliehenen Flächen durch Neuvergabe
wüster Bauernstellen oder durch Landkäufe und Zusammenlegung von kleineren Teilflächen.
 Im Hauptamt Rhein war die Siedlungsentwicklung seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts etwas intensiverer als
in Lötzen verlaufen. 1582 entstand das Gut Mniodunsken. Nahe dem Dorf Nikolaiken wurde 1612 das Gut Kulinowen
verschrieben. Weitere Güterverleihungen folgten: 1619: Wessolowen; 1614: Nowinnen (beide in der Nähe des Sees
Inulzen gelegen) ; Mattheussek (zwischen Schimonken und Wosnitzen) sowie 1618: Saleschen.
Seit den Anfängen der Besiedlung erscheinen in der Region Lötzen/Rhein Namen adliger Familien als Inhaber hoher
Ämter sowie als Landbesitzer. Ihrer Herkunft nach handelt es sich dabei um adlige Familien aus Deutschland
(z.B. v. Hoverbeck, v. Eulenburg, v. Schlieben, v. Heydeck, v. Dönhoff, v. Lehwald, v. Tettau, v. Oelssen, v. Knobelsdorff,
v. Königseck, v. Krösten, Schenk zu Tautenburg u.a.) Aber auch Familien aus dem polnischen Kleinadel (z.B. Jurski,
Bulawski, Kazmierski, Kochanowski, Penski u.a.) sind vertreten. Altpreußischer Herkunft waren die Familien
v. Packmohr und v. Schlubhut.
Das Recht, Mühlengrundstücke zu vergeben und Mahlmühlen zu betreiben, lag seit der Ordenszeit ausschließlich bei
der Landesherrschaft und wurde in jeweils besonderen Verleihungsurkunden eingeräumt. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts existierten im Hauptamt Lötzen Mühlen in Althof Lötzen, Groß Stürlack, Rhuden, Stasswinnen, Groß
Konopken, Willuden und Biestern. Für das Hauptamt Rhein sind Mühlen in Groß Notisten, Doschen, Isnothen,
Wensewen, Lyssuhnen, Arys, Reuschendorf, Kaminsken, Skomatzko, Rudowken, Suchamühle sowie Rzessnicken
nachzuweisen. Auf ein besonderes Ereignis in der Herzogszeit sei hier nochmals hingewiesen: die Verleihung des
Stadtrechtes an Lötzen im Jahre 1612.

Kurfürstliche Zeit (1618 – 1701)

Offiziell firmierte bis zu seinem Todesjahr (1618) Albrecht Friedrich, der Sohn Albrechts, als
Herzog von Preußen. Er galt aber wegen geistiger Schwäche als regierungsunfähig und wurde
deshalb durch Regenten (Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach, Kurfürst
Joachim Friedrich von Brandenburg, Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg) vertreten.
1618 trat der mit der Tochter Albrecht Friedrichs, Anna von Preußen, vermählte Johann
Sigismund, nunmehr als Herzog die Herrschaft in Preußen an, gefolgt von seinem Sohn Georg
Wilhelm (1619 - 1640) und seinem Enkel Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten (1640 -
1688). Für das weitere Schicksal des Herzogtums Preußen war die Regierungszeit des Großen
Kurfürsten von besonderer Bedeutung, weil dieser die Misswirtschaft der adligen Stände und die
damit einhergehenden Verschlechterungen für die bäuerliche Bevölkerung weiter einschränken
konnte. Die Ablösung der polnischen Oberlehnsherrschaft (1657) war eine der Voraussetzungen
für die Schaffung des preußischen Königtums.

Friedrich Wilhelm I.
-der Große Kurfürst-

Unter dem Großen Kurfürsten war vor allem aus finanzpolitischen Gründen die Errichtung von Schatullsiedlungen in
Ostpreußen besonders ausgeprägt. In den Ämtern Lötzen und Rhein wurden derartige Siedlungen aber verstärkt erst in
der Königszeit angelegt, z.B. in der Region des Lucknainer und des Inulzen-Sees sowie in Rudowken.
(Dieses Gebiet wurde später vorwiegend zum Kreis Sensburg geschlagen.)
Der Namen des Großen Kurfürsten bleibt mit Masuren besonders verbunden, weil in seine Regierungszeit die noch lange
in der Erinnerungstradition Ostpreußens nachwirkenden Tatareneinfälle stattfanden. Diese während des 2. Polnisch-
Schwedischen Krieges (1656 – 1660), an dem sich der Kurfürst als Verbündeter Schwedens beteiligte, erfolgenden
Einfälle der Tataren als Hilfsaufgebot des polnischen Königs brachten nach der Niederlage des schwedisch-branden-
burgischen Heeres bei Prostken am Lyckfluss (Oktober 1656) für Masuren Verwüstung, Elend und Tod. Etwa 27.000
Menschen wurden erschlagen oder in die Sklaverei verschleppt. Etwa 80.000 fielen dem Hunger und ausbrechenden
Krankheiten zum Opfer. Seuchen vernichteten nicht nur Menschen, sondern auch den Viehbestand. Mehr als die Hälfte
der masurischen Einwohner fanden den Tod. Die meisten Städte, 249 Dörfer und Höfe sowie 37 Kirchen lagen nach
dem Krieg in Schutt und Asche.
Die Hauptämter Lötzen und Rhein wurden vor allem durch den Tatareneinfall im Februar 1657 besonders hart
getroffen. Die Stadt Lötzen brannte völlig nieder. Nur das Schloss, die Kirche und das Rathaus blieben verschont.
In Rhein blieb nur das Schloss unzerstört. Aus Groß Stürlack wird über eine besonders scheußliche Bluttat berichtet.
Der dort lebende Georg Friedrich Schenk Freiherr zu Tautenburg, zu dessen Begüterung auch Steinhoff, Deyguhnen
und Faulheide gehörten, wurde vor seinem Wohnhaus auf einem Stein in Stücke gehackt.
Mehr als drei Viertel der Bauernhufen im Umkreis von Lötzen lagen nach den Tataren-einfällen wüst, d.h. waren
unbestellt und verödet, weil ihre Besitzer getötet worden oder geflüchtet waren. Von insgesamt 466 Hufen waren nur
noch 76 besetzt. Die bäuerlichen Infrastrukturen waren in ganz Masuren durch die kriegerischen Ereignisse und ihnen
folgenden Epidemien weitestgehend vernichtet.

Kartenausschnitt
des Lötzener Amtes
von 1662


(älteste überlieferte
Karte,
Original:
60x80cm farbig)

Königszeit/Deutsches Kaiserreich (1701 – 1918)

Die von Kaiser Leopold I. ausgesprochene Rangerhöhung des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. zum König
in Preußen und seine Krönung in Königsberg (1701) waren u.a. durch die 1657 erlangte Ablösung der polnischen
Oberlehnsherrschaft möglich geworden. Diese prestigeträchtige, wenn auch mit einer steigenden Staatsverschuldung
verbundene politische Entwicklung im Königreich Preußen ging aber zunächst keineswegs mit einem sozialen und
wirtschaftlichen Aufstieg in Ostpreußen einher. Die noch nicht überwundene Verelendung der Bevölkerung durch die
Kriegswirren (Tatareneinfälle) in der letzten Hälfte des 17. Jhdts. wurde durch eine rigorose Eintreibung von Steuern
und die Ausweitung von bäuerlichen Dienstleistungen noch verstärkt. Die 1709 ausbrechende Pestkatastrophe
verschlimmerte diese Situation beträchtlich. Von Königsberg ausgehend, traf die Pest vor allem die litauischen und
masurischen Ämter besonders heftig und grassierte hier bis 1711. Ihre insgesamt verheerenden Auswirkungen zeigten in
einzelnen Gegenden allerdings Unterschiede. Im Hauptamt Rhein zählte man 6789 Pestopfer, im Hauptamt Seehesten
677. In der Stadt Lötzen erlagen 800 Einwohner der Seuche, während einige Dörfer der Umgebung ganz verschont
blieben, so z.B. Kamionken.
Die Entvölkerung Masurens durch die Pest wurde durch die anhaltende soziale Entrechtung und Unterdrückung der
bäuerlichen Schichten weiter vorangetrieben. Viele Bewohner flohen nach Polen und in benachbarte Gebiete, ohne dort
allerdings Verbesserungen ihrer bedrückenden wirtschaftlichen Situation zu erreichen.

König
Friedrich III.

König
Wilhelm I.

König
Friedrich II.
-der Große-

Der Wiederbesiedlung der durch Krieg, Pest und Misswirtschaft entvölkerten Gebiete Ostpreußens haben sich König
Wilhelm I.(1713 – 1740) und sein Nachfolger, Friedrich der Große(1740 – 1786), mit besonderem Eifer gewidmet und
einschneidende Reformen in die Wege geleitet, welche Amtsmissbrauch und adlige Vetternwirtschaft ausschließen und
die staatlichen Einnahmen erhöhen sollten.
Dem 1723 in Berlin geschaffenen Generaldirektorium als zentraler Instanz des Königreiches wurde die Verwaltung des
gesamten Staatsbesitzes, einschließlich der Domänen und Schatulldörfer übertragen. Ihm wurde die etwa zeitgleich in
Königsberg errichtete Kriegs- und Domänenkammer direkt unterstellt. 1736 erfolgte die Einrichtung einer weiteren
Kriegs- und Domänenkammer in Gumbinnen. Dieser wurden 1747 die masurischen Ämter - und damit auch Lötzen,
Rhein, Stradaunen und Polommen - zugeordnet. Als Unterbehörden der beiden Kammern fungierten die am Standort
von königlichen Vorwerken ansässigen Domänenämter, geleitet von Amtmännern. Den einzelnen Domänenämtern,
die in Generalpacht an Bürgerliche vergeben wurden, unterstanden sämtliche königliche Bauerndörfer ihres näheren
örtlichen Umfeldes. In den Regionen Lötzen und Rhein existierten zu dieser Zeit Domänenämter in Althof Lötzen,
Lawken, Polommen und Stradaunen.
1715 wurde für Ostpreußen eine Hufenschosskommission eingesetzt, die unter Leitung von Karl Heinrich Truchsess von
Waldburg stand. Ihre Aufgabe bestand in einer Neuvermessung des gesamten Landes. Damit sollte die Unterschlagung
steuerpflichtiger Hufen, vornehmlich durch adlige Landbesitzer, unterbunden werden. Im Zusammenhang mit der
Landvermessung wurde auch eine Bewertung der Bodengüte vorgenommen und danach eine einheitliche Generalhufen-
steuer für das platte Land eingeführt. In den Städten erhob man die Akzise.
Bei der Generalhufensteuer wurde nun auch die Bodengüte als Bemessungsgrundlage berücksichtigt und nicht nur die
Hufengröße – wie in der Zeit davor. Diese Neureglung des ländlichen Steuerwesens nutzte besonders bäuerlichen
Wirtschaften und war ihrem Gedeihen förderlich. Auch aus den Ämtern Lötzen, Rhein, Polommen und Stradaunen liegt
das umfangreiche Aktenmaterial noch heute vor, dass im Zusammenhang mit dieser Steuerreform zusammengetragen
worden ist: Die sog. „Hufenschossprotokolle“ enthalten zahlreiche Informationen zur Landes- und Kulturgeschichte
Ostpreußens im beginnenden 18. Jahrhundert.
Während der Herrschaft Wilhelms I. wurde auch mit einer Neuordnung des ländlichen Schulwesens begonnen.
Tatsächliche Verbesserungen ließen aber noch geraume Zeit auf sich warten.

1751 erfolgte eine Umorganisation der ostpreußischen Verwaltung. Die Hauptämter wurden aufgelöst und jeweils
mehrere von ihnen zu insgesamt neun Justizkollegien zusammengefasst. Diese übernahmen von den Hauptämtern das
Justiz- und Kirchenwesen. Außerdem wurden 1752 zehn von einem Landrat beaufsichtigte Kreise neu gebildet, die für
die allgemeine Polizei, das Steuerwesen sowie für Militärangelegenheiten zuständig waren. Die ehemaligen Hauptamts-
bezirke Lötzen, Rhein, Seehesten und das Erbamt Neuhoff (mit Sitz in Rhein) gehörten zum landrätlichen Kreis
Seehesten. Stradaunen und Polommen waren dem landrätlichen Kreis Oletzko zugeordnet.

Die Auswirkungen der von Wilhelm I. begonnenen Wiederbesiedlungs- und Reformmaßnahmen zur Ertragssteigerung
der Domänenwirtschaft kamen während seiner Regierungszeit vornehmlich in den litauischen Ämtern zum Tragen
(Ansiedlung u.a. der Salzburger; Konzentration der Pferdezucht im Stutamt Trakehnen). Das Wiederaufbauwerk
in Masuren zeigte erst unter Friedrich dem Großen Erfolge, vor allem in der Zeit nach dem Siebenjährigen Krieg
(1756 – 1763), in der Ostpreußen von Truppen der Zarin Elisabeth besetzt gewesen war. Im Kirchspiel Lötzen konnten
114 Hufen mit Bauern besetzt werden, im Kirchspiel Rhein 183, im Kirchspiel Milken 57 Hufen, im Ksp. Rydzewen 98,
im Kirchspiel Groß Stürlack 10 Hufen und im Kirchspiel Widminnen ebenfalls 10 Hufen. (1 Hufe = ca. 16,5 ha).
Um Siedler (in dieser Zeit auch „Assekuranten“ genannt) zu motivieren, wurden diesen günstige Bedingungen
eingeräumt. Sie erhielten an Land gewöhnlich 1-2 Hufen „erb- und eigentümlich,“ frei von allen Kontributions-
zahlungen und von Scharwerksdiensten. Für den Bau von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden wurde Holz aus den königl.
Forsten kostenlos zur Verfügung gestellt. Während der Einrichtungszeit wurden kein Grundzins oder sonstige Abgaben
erhoben. Erst danach wurden je nach Bodenqualität 8-16 Groschen pro Morgen an Erbzins fällig. Unfähige Kolonisten,
die Zinsrückstände hatten, konnten von ihren Höfen auch wieder entfernt werden.

Friedrich der Große hat sich auch um die Ansetzung kleiner Landbesitzer bemüht, die sog. „Eigenkätner“.
Damit sollte ein mit geringem Grundbesitz ausgestatteter Landarbeiterstand geschaffen werden. Die Ansiedlung von
Eigenkätnern erfolgte auf Ackerland, das von anderen Grundstücken abgezweigt worden war, aber auch in Wald- und
Bruchgebieten, die noch urbar zu machen waren. 1786 gab es im Amt Lötzen 61, im Amt Rhein 17 und im Amt
Polommen 43 Eigenkätner. Über den Umfang der Scharwerksleistungen auf landesherrlichem und privatem Besitz
waren während der Besiedlungsphase nur selten konkrete Festlegungen erfolgt. Willkürlich erhobene Forderungen an
die erbuntertänigen Bauern waren deshalb oft an der Tagesordnung. Weil aber die Landesherrschaft auf regelmäßige
Steuereinnahmen der Bauernschaft angewiesen war, sorgte sie in der friderizianischen Zeit verstärkt dafür, dass diese
durch überhöhte Scharwerksdienste nicht in ihrer Existenz gefährdet wurde. Auf den staatlichen Domänen Althof
Lötzen, Pierkunowen und Lawken wurde deshalb 1780 das Planscharwerk eingeführt und genau festgelegt, welches
Ausmaß die Scharwerksleistungen haben durften. Für die Handhabung bäuerlicher Dienste auf adligen Gütern
(1778 im Amt Lötzen z.B. Deyguhnen, Faulhöden, Kühnort, Jagodnen; Amt Rhein z.B. Neuhoff, Heybutten, Mallinken,
Pammern, Ranten) existierten keine rechtlichen Vorschriften. Der König konnte nur empfehlen, auch hier Härten bei
den Scharwerksdiensten abzustellen. Vor gesetzlichen Regelungen für seine adligen Standesgenossen, welche die
Offizierselite seiner Armee stellten, schreckte er zurück.

1785 war das spätere Lötzener Kreisgebiet auf die folgenden Verwaltungseinheiten aufgeteilt:
Zum landrätlichen Kreis Seehesten gehörten die Städte Lötzen und Rhein, Arys und Nikolaiken sowie die
Domänenämter Althof Lötzen (Sitz: Schloss Lötzen, zugehörig 2 Vorwerke und 52 Dörfer),
Rhein (Sitz: Vorwerk Lawken, zugehörig 1 Vorwerk und 43 Dörfer),
Arys (Sitz: Vorwerk Skomatzko, zugehörig 2 Vorwerke und 38 Dörfer) und
Schnittken (zugehörig 1 Vorwerk und 57 Dörfer).
Die Domänenämter Stradaunen (zugehörig 2 Vorwerke und 43 Dörfer) sowie
Polommen (zugehörig 1 Vorwerk und 46 Dörfer) gehörten zum landrätlichen Kreis Oletzko.
Im Erbkammeramt Neuhoff existierten zu diesem Zeitpunkt 4 Vorwerke und 7 Dörfer.
Davon befanden sich aber nur einzelne im Besitz der Familie v. Drigalski.

Während des Französisch-Preußischen Krieges (1806 - 1807) wurde Ostpreußen wiederum zum Kriegsschauplatz.
Zwangsrekrutierungen, eingeschleppte Krankheiten sowie eine massive Teuerung bedrückten die Bevölkerung.
Beim Zug Napoleons gegen Russland im Jahre 1812 wurde auch die Region um Lötzen in Mitleidenschaft gezogen.
Die anhaltenden Truppenbewegungen der Grande Armee Napoleons (Stärke ca.450.000 Mann) und ihre ständigen
Forderungen nach Lebensmitteln für deren Versorgung führten zu Hungersnöten, die durch Missernten noch verstärkt
wurden und auch nicht aufhörten, als nach der Niederlage Napoleons die russischen Truppen unter dem Zaren
Alexander I. einrückten, der als Befreier gefeiert wurde. Auf der Versammlung der preußischen Stände in Königsberg
im Februar 1813 wurde beschlossen, alle verfügbaren Kräfte gegen Frankreich zu mobilisieren. Auch das völlig
ausgeplünderte Lötzen stellte 24 Landwehrmänner und finanzierte ihre Ausrüstung. Nach den Befreiungskriegen war
die hohe Staatsverschuldung des Königreichs Preußen, ausgelöst durch die Rüstungsausgaben und die Kontributions-
forderungen des Kriegsgegners, ins Unermessliche gestiegen und musste abgebaut werden. Eine Möglichkeit hierzu bot
der Verkauf von Teilen des gerade in Ostpreußen sehr umfangreichen Domänenbesitzes. So wurde z.B. auch die Domäne
Perkunowen zum Kauf angeboten, fand aber keine Interessenten.

Die ersten Jahrzehnte des 19. Jhdts. brachten nicht nur Krieg, wirtschaftliche Krisen und
Entbehrungen für die Bevölkerung. In diesem Zeitraum setzen auch Veränderungen ein,
welche die Folgezeit einschneidend geprägt haben. Durch die Niederlagen Preußens sah
sich der Staat zu grundlegenden Änderungen seiner bisherigen Strukturen gezwungen.
Die damit verbundenen Maßnahmen werden unter der Bezeichnung Stein- Hardenbergsche
Reformen zusammengefasst. Diese wirkten in die meisten Lebensbereiche hinein und
erforderten Anpassungsbereitschaft bei allen davon betroffenen Bevölkerungsschichten.

 Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein:

Im Zuge der Verwaltungsreformen wurde in Ostpreußen 1818 eine neue Kreisorganisation geschaffen, welche die
älteren landrätlichen Kreise ablöste. Die Grundlage für die Neugliederung bildeten die zu diesem Zeitpunkt
existierenden Kirchspiele. Dem Kreis Lötzen wurden die Kirchspiele Lötzen (Stadt), Neuhoff, Milken, Rhein, Rydzewen,
Stürlack und Widminnen zugeschlagen. Durch Zuordnung einzelner früher in den landrätlichen Kreisen Seheesten und
Oletzko liegenden Kirchspiele zu anderen 1818 neugeschaffenen Nachbarkreisen war das Kreisgebiet von Lötzen vielen
topographischen Veränderungen ausgesetzt. Als Sitz der Kreisverwaltung wurde zunächst Rhein, dann die Stadt Lötzen
bestimmt, in die 1820 auch das bisher in Rhein untergebrachte Landratsamt verlegt wurde. An der Spitze des Kreises
stand von nun an ein vom Kreistag gewählter Landrat. Die preußische Verfassung von 1850 führte den Kreisausschuss
als neues Organ der kommunalen Selbstverwaltung ein. (weiterführend dazu: Rubrik Genealogie - Landgemeinden)
Die Bevölkerungszahl des Kreises betrug 1818  19.296 Einwohner in 3924 Haushalten.

Kreiskarte Lötzen 1818
mit den benachbarten
Kreisen

Durch die Gewerbereform wurden die Zwänge der bisherigen Zunftordnungen beseitigt, was vor allem der Wirtschaftsentwicklung der Stadt Lötzen, aber auch seiner größeren Gemeinden zugute kommen sollte, in denen jetzt die freie Ausübung von Gewerben einfacher wurde. Die Militärreform verbesserte nicht zuletzt auch die Situation der Armeeangehörigen und schränkte die Willkür von Vorgesetzten ein.

Von besonderer Wichtigkeit für das weitestgehend noch landwirtschaftlich geprägte Ostpreußen mit seinen masurischen Kreisen waren zweifelsohne die Agrarreformen. Diese betrafen vornehmlich die Aufhebung der Erbuntertänigkeit der Bauern (Bauernbefreiung) d.h. ihrer Ablösung aus sämtlichen herrschaftlichen Bindungen (Edikte von 1807 - 1839) sowie die Regulierung der bäuerlich-gutsherrlichen Besitzverhältnisse an Grund und Boden. (Edikte von 1808 - 1810). Nach der Ablösung bestehender Verpflichtungen durch Abtretung von Land an den bisherigen Grundherrn (König oder privater Gutsbesitzer) oder Geldzahlungen wurde das dem einzelnen Bauern verbleibende Land zu seinem erblichen Eigentum, über das er frei verfügen konnte.

Als letzte Stufe der Agrarreformen erfolgte die Separation. Diese Bezeichnung wurde bei der Bauernbefreiung in zwei Bedeutungen verwendet. Zum ersten verstand man darunter die Aufteilung der seit der Ordenszeit im Rahmen der Dreifelderwirtschaft gemeinsam bearbeiteten drei großen Äcker jeder Dorfgemarkung (Sommerfeld, Winterfeld, Brache). Durch diese Aufteilung wurde es jedem Bauern möglich, die ihm jetzt zugewiesene zusammenhängende Ackerfläche selbständig zu bewirtschaften. Zum zweiten bedeutete Separation die Überführung von bisherigem Gemeinbesitz der Dorfschaft in privaten Besitz. Gemeinsam genutzte Flächen (Wiesen, Weiden, Dorfanger, Brüche) wurden unter den bisherigen Nutzern aufgeteilt und nur noch von diesen für eigene Zwecke bewirtschaftet.

Die mit den beschriebenen Reformen zusammenhängenden Veränderungen, die nicht ohne Widerstand bei den Beteiligten abliefen, bedurften zu ihrer endgültigen Durchsetzung oft längere Zeit. Vor allem die Separationen lösten häufig anhaltende Streitigkeiten aus und wurden vielfach erst in der 2. Hälfte des 19. Jhdts. abgeschlossen. Sie verursachten aber große Veränderungen im Landschaftsbild. Die bisherigen geschlossenen Dorfschaften, ursprünglich fast durchgehend als Straßen- und Reihendörfer angelegt, verloren ihren herkömmlichen Charakter. Auf den Feldmarken entstanden im Zuge der Separation viele Abbauten (Ausbauhöfe), die oft sehr weit vom Dorfkern entfernt lagen. Zu einer völligen Auflösung der Dorfform ist es aber im Kreis Lötzen nicht gekommen, wohl aber zu stärkerer Auflockerung (z.B. in Gneist, Gr. Gablick, Jauer, Kl. Notisten u.a.) und zur Errichtung vieler Ausbauhöfe.

Veränderungen des ursprünglichen Landschaftsbildes wurden auch durch den verstärkt seit dem letzten Drittel des 19. Jhdts. vorangetriebenen Straßenausbau bewirkt. Die folgenden Chausseen durchziehen um diese Zeit das Kreisgebiet: Von Johannisburg über Arys nach Lötzen; von Lötzen über Possessern nach Angerburg; von Lötzen über Gr. Stürlack nach Rastenburg; von Gr. Stürlack nach Rhein; von Rhein über Grünwalde nach Nikolaiken; von Widminnen über Kowalewsken nach Oletzko.

Die Anbindung des Kreisgebietes an das ostpr. Eisenbahnnetz durch die Südbahn (1866: Inbetriebnahme der Strecke Königsberg-Bartenstein; 1867: Bartenstein-Rastenburg; 1868: Rastenburg-Lötzen-Lyck; 1871: Lyck-Prostken) die für die wirtschaftliche Entwicklung und den aufkommenden Tourismus von großer Bedeutung war, führte an den Haltepunkten der Bahn zur Anlage neuer Ortsteile (z.B. in Widminnen, Upalten, Schedlisken).

Die Bevölkerungszunahme machte es erforderlich, bisheriges Unland, versumpfte Wiesen und Moore in Kulturflächen umzuwandeln und diese für die landwirtschaftliche Nutzung verfügbar zu halten. So konnten z.B. durch die Entwässerung des Stasswinner Sees (1834) , die Senkung des Wasserspiegels des Kruglinner Sees sowie des Widminner Sees (1866) nicht unbedeutende Flächen für Ackerbau und Viehzucht gewonnen werden. Dränage- und Entwässerungsvereine, zu denen sich einzelne Dorfschaften zusammenschlossen, sorgten langfristig für eine rationelle Nutzung auch ursprünglich nasser Böden, vor allem für Zwecke der Viehwirtschaft. Der sich allmählich ausweitende Anbau von Hackfrüchten und Klee kam vor allem der Großviehzucht zugute. Es trat allmählich eine Gewichtsverlagerung vom dominierenden Getreideanbau zu einem verstärkten Kartoffelanbau (in Ostpreußen zu Ende des 18. Jhdts. eingeführt) und zur Viehzucht ein, die gerade auch bäuerlichen Betrieben neue Marktchancen eröffnete. Die Verwendung von Kunstdünger, verbesserte landwirtschaftliche Geräte, die durch genossenschaftliche Zusammenschlüsse (z.B. Raiffeisen) erleichterten Kreditbedingungen sowie nicht zuletzt die Weiterbildung der Landwirte in speziellen Schulen (z.B. der in Lötzen eröffneten) trugen zum Aufschwung der Landwirtschaft auch im Kreis Lötzen bei.

Gebäude
des ersten
Landratsamtes

1874 erfolgte gemäß den Vorgaben der Preußischen Kreisordnung
von 1872 die Gliederung des Kreisgebietes in Amtsbezirke,
denen einzelne Landgemeinden oder Gutsbezirke zugeordnet wurden.
An der Spitze der Amtsbezirke standen Amtsvorsteher, welche
die Aufgaben einer Ortspolizeibehörde zu erfüllen hatten und
meist gleichzeitig auch als Bürgermeister einer Ortschaft fungierten.
Die Städte Lötzen und Rhein sowie die Kirchspielorte, zwischenzeitlich
 auch andere einwohnerstarke Dorfschaften, erhielten 1875
 Standesämter.

1905 hatte der Kreis Lötzen 41.609 Einwohner. Die Einwohnerzahl
hatte sich also gegenüber dem Jahre 1818 mehr als verdoppelt. Zum
Kreisgebiet gehörten 128 Gemeinden und Gutsbezirke.

Der wirtschaftliche Aufschwung des Kreisgebietes zeigte sich vor allem nach der Reichsgründung (1871) auch schon
rein äußerlich in der Veränderung des Dorfbildes vor allem in den Kirchdörfern (Groß Stürlack, Milken, Neuhoff,
Orlowen, Rydzewen, Königshöhe und Widminnen). Schon in früheren Zeiten hatten diese sich durch mehrere Gast-
wirtschaften und Krüge ausgezeichnet, die gleichzeitig Handel mit Gütern des täglichen Bedarfs trieben. Mit dem
zunehmenden Wirtschaftsaufschwung ließen sich hier jetzt verstärkt Handwerker und Kaufleute nieder. Zweigstellen
von Sparkassen und Raiffeisenbanken vor Ort erleichterten die Geldgeschäfte und die Kreditvergabe. Vor allem die
Raiffeisengenossenschaften waren beim Absatz ländlicher Produkte und beim Kauf von Düngemitteln und
landwirtschaftlichem Gerät behilflich. Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte, die vorher nur in der Kreisstadt praktiziert
hatten, waren jetzt auch in größeren Dörfern anzutreffen. Der Bau neuer Wohngebäude, der mit dieser Entwicklung
einherging, zeugte von der Veränderung der sozialen Strukturen auch in den Dorfschaften. Im Kreis Lötzen wurde der
Wandel besonders in Königshöhe (Kirchspielort seit 1892) , Orlowen, und Widminnen sichtbar. Welchen ungünstigen
Einfluss zu dieser Zeit geographische Lage und mangelnde Verkehrsanbindungen haben konnten, zeigte das Beispiel
der Stadt Rhein, deren Einwohnerzahlen zurückgingen.

Der Geburtenüberschuss im Kreis Lötzen lag um die Jahrhundertwende wie auch im übrigen Masuren durchschnittlich
bei 15 bis 20%. Der trotzdem zu verzeichnende Bevölkerungsrückgang in den Landgemeinden ist als Wanderungsverlust
zu werten. So verließen z.B. in den Jahren 1900 – 1905 ca. 7% der Bewohner jährlich ihren Heimatkreis Lötzen und
wanderten vorwiegend in das Ruhrgebiet ab, weil sich ihnen dort bessere Beschäftigungsmöglichkeiten boten. Diese
auch als „Landflucht“ bezeichnete Wanderungsbewegung war nicht typisch für den Kreis Lötzen oder gar für den
agrarisch geprägten deutschen Osten insgesamt. Eine Abwanderung der Überbevölkerung aus ländlichen Gebieten in
neu aufkommende Industriegebiete ist in der Wirtschaftsentwicklung vieler Länder festzustellen. Um der Landflucht
zu begegnen und Existenzgründungen für bäuerliche Familien zu ermöglichen, wurden seit der Jahrhundertwende
verstärkt Aufsiedlungen größerer Güter vorgenommen. Im Kreis Lötzen wurden in den Jahren von 1906 – 1926
z. B. in Antonowen 33, in Klein Kosuchen 75, in Adlig Wolla 11, in Milken 30, in Neuhoff 49 und in Sulimmen 27
neue bäuerliche Siedlungen geschaffen.

Bei der Neubildung des Regierungsbezirkes Allenstein (1905) wurde der Kreis Lötzen (bisher Regierungsbezirk
Gumbinnen) Allenstein zugeordnet. Die im Dezember 1927 angeordnete Auflösung der meisten bisherigen Gutsbezirke
(diese wurden entweder zu selbständigen Gemeinden erklärt oder in benachbarte Gemeinden eingegliedert),  sowie die
Aufsiedlung einzelner Güter führten zu einer Reduzierung der Gemeinden/Gutsbezirke gegenüber der früheren Zeit.
Der Kreis Lötzen hatte 1931  93 Gemeinden. Die vorher dem Kreis Sensburg zugeordneten Gutsbezirke Borken,
Groß Salzig-See und Klein Hensel-See waren 1928 in den Kreis Lötzen eingegliedert worden. Die Umbenennung des
Kreises Lötzen in „Landkreis Lötzen“ erfolgte im Jahre 1931.

Weimarer Republik, NS-Zeit (1919 – 1945)

Nach dem 1.Weltkrieg, der im Kreisgebiet von Lötzen keine übermäßigen Zerstörungen hinterließ - die Feste Boyen
konnte von der zaristischen Armee nicht eingenommen werden - war die konservativ-monarchistische Oberschicht
geschwächt, und die SPD erhielt bei den Wahlen zur Weimarer Nationalversammlung (1919) in Masuren die absolute
Mehrheit. Bei der Volksabstimmung im Jahre 1920 stimmten im Landkreis Lötzen 99,97% der Abstimmungsberech-
tigten für den Verbleib bei Ostpreußen. Die vornehmlich durch die Abschnürung der Provinz vom deutschen Reichs-
gebiet verursachten wirtschaftlichen Nachteile waren natürlich auch in der Lötzener Region spürbar.
Der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 waren schon bei den Wahlen im Jahre 1932 starke
Zugewinne der NSDAP vorausgegangen. Der berüchtigte Gauleiter Koch verfolgte in Ostpreußen eine rigorose
faschistische Machtpolitik, die auch auf dem kulturellen Sektor skurrile Ausmaße annahm. Die schon in den 20er
Jahren einsetzende Umbenennung von Ortschaften mit slawischen und litauischen Bezeichnungen wurde von ihm
besonders vorangetrieben. Im Kreis Lötzen wurden 82% aller Ortschaften umbenannt, z.B. Kamionken in Steinwalde,
Skorupken in Schalensee, Okrongeln in Schwansee und Czarnowken in Grundensee. Nur wenige Orte konnten ihre
hergebrachten Namen retten, z.B. Widminnen, die damals größte Landgemeinde, Neuhoff, Groß u. Klein Stürlack und
noch einige andere. Von der Umbenennungsaktion waren auch viele Landschaftsbezeichnungen nicht ausgenommen.
In der Kreisstadt Lötzen wurde eine Vaterländische Gedenkhalle eingerichtet, die der mythischen Überhöhung
geschichtlicher Vorgänge im nationalistischen Sinne dienen sollte. Der Lötzener Kreistag wurde bereits 1933, der
Kreisausschuss 1939 aufgelöst. Die alleinige Verantwortung für die Kreisverwaltung wurde nach dem „Führerprinzip“
dem Landrat übertragen. Im November 1938 wütete auch in Lötzen der nazistische Mob. Die städtische Synagoge wurde
in Brand gesteckt, die jüdischen Bewohner wurden verfolgt, drangsaliert und abtransportiert.

Im Jahre 1939 existierten im Kreis Lötzen insg. 86 Landgemeinden sowie die Städte Lötzen und Rhein. Die Land-
gemeinden sowie der Lötzener Anteil des Forstgutbezirks Borker Heide waren in 19 Amtsbezirken zusammengefasst.
Die Kreisfläche umfasste 898,8 km². 70% davon wurden landwirtschaftlich genutzt. 10% waren Waldgebiete und
12,5% Wasserflächen. Die Gesamtbevölkerung betrug in diesem Jahr 50.012. Davon entfielen auf die Städte Lötzen
16.288 Einwohner, Rhein 2429 Einwohner und auf die Landgemeinden insgesamt 31.295 Einwohner.
Die Bevölkerungsdichte betrug 51,5 pro Quadratkilometer. Der Kreis Lötzen war auch in der 1. Hälfte des 20.Jhdts.
noch überwiegend ländlich geprägt. Handel und Handwerk sowie vornehmlich einheimische Produkte verarbeitende
Gewerbe waren in der Stadt Lötzen, in Rhein und anderen größeren Ortschaften angesiedelt.

Auf dem Lande war Mittel- und Kleinbesitz vorherrschend. Es existierten aber auch landwirtschaftliche Großbetriebe.
so z.B. in Berghof (618 ha) ; Glombowen (557 ha) ; Klein Jagodnen (1240 ha) ; Klein Gablick (736 ha) sowie in Ranten
(605 ha). Der Besitz der Freiherrn von Schenk zu Tautenburg in Faulhöden (914 ha) gehörte zu den ältesten noch
vorhandenen adligen Besitzungen im Kreise. Von der ursprünglich der Familie von Heydeck gehörenden Begüterung
Neuhoff war nur noch ein Restgut mit einer Fläche von 304 ha vorhanden. Der größere Flächenanteil war für
bäuerliche Siedlungszwecke abgezweigt worden. Die Domänen in Lawken (619 ha) sowie in Perkunowen (868 ha)
befanden sich nach wie vor im Besitz des preußischen Staates, waren aber verpachtet. (Die Angaben über die Besitz-
größen stammen aus dem Jahre 1929.)

Während des 2. Weltkrieges diente Ostpreußen als Aufmarschgebiet für die Angriffe auf Polen und die Sowjetunion.
Stärkere Auswirkungen auf den Arbeitsalltag und das Leben der Bevölkerung wurden vor allem in den letzten
Kriegsjahren spürbar. Seit der sowjetischen Großoffensiven im Sommer und Herbst 1944 gehörte der Geschützdonner
zum Alltag der Kreisbewohner, denen eine Flucht durch die Staats- und Parteibehörden verboten war. Nach einer
kurzen Pause während der Monate November und Dezember 1944 führte die letzte Offensive der Roten Armee zur
Besetzung ganz Masurens und zur Einkesselung Ostpreußens in der letzten Januarwoche 1945. Mit der Flucht und
Vertreibung des überwiegenden Teiles seiner Einwohner ging die deutsche Geschichte des Landkreises Lötzen zu Ende.
 

Fluechtlinge2
Fluechtlinge4
Fluechtlinge5

Ostpreußische Flüchtlingstrecks 1945

(Die Zusammenstellung orientiert sich vorwiegend an den einschlägigen Werken von Toeppen, Kossert, Schumacher, Boockmann, Hubatsch, Meyhöfer und Bialunski, die im einzelnen in der Bibliographie genannt werden.)

 

Urzeit
Steinaxt
Steinkistengrab
Urne
Gaue
Komtureien
deutscher-orden
Dorfgründungen1
Dorfgründungen2
Albrecht von Brandenburg-Ansbach
Dorfgründungen3
Friedrich_Wilhelm_1
Districtus_Lecensis
König_Friedrich_3
König_Wilhelm_1
Friedrich_der_Große
Freiherr_Vom_Stein
Kreiskarte
Landratsamt